Von Judit Baer
Ein Dorf im Sauerland, viele Mütter, viele Kinder, viele Hoffnungen: Entlastung vom Alltag zu finden, Strategien zu erlernen, um ein weniger stressiges Leben zu führen, Überforderung und Anstrengung loszuwerden.
Ein Dorf im Sauerland, viele Mütter, viele Kinder, viele Hoffnungen: Entlastung vom Alltag zu finden, Strategien zu erlernen, um ein weniger stressiges Leben zu führen, Überforderung und Anstrengung loszuwerden.
Der Podcast von L. Damm und E. Weber nimmt seinen Ausgangspunkt auf Gut Holmecke, während einer Mutter-Kind-Kur. Im Gespräch mit Frauen, die sich in ihren Lebensentwürfen deutlich unterscheiden, aber doch mit ähnlichen Erwartungen zur Kur gekommen sind, werden vielfältige Fragen diskutiert: Sexualität, Arbeit, Mutterschaft, Sehnsüchte, Ängste und natürlich der Sinn und Unsinn der Kur selbst. Inwiefern diese Bereiche mit der eigenen Rolle als Frau und gesellschaftlichen Zuschreibungen an diese Rolle zusammenhängen, wird nicht immer explizit erörtert, liegt aber allen Gesprächen und ihrer Reflexion im Podcast zugrunde.
Damm, selbst Teilnehmerin der Kur, führte vor Ort die Interviews. Pro Folge besprechen die beiden Moderatorinnen einen Themenkomplex, lassen darin die Interviewten per O-Ton zu Wort kommen, äußern ihre eigenen Gedanken und beziehen sich auf gesellschaftspolitische Theorien. Es gelingt ihnen, auch abstrakte Zusammenhänge leicht zugänglich zu diskutieren. Dabei scheuen sie sich nicht, eigene, mitunter intime Erfahrungen mit den Hörer:innen zu teilen.
Die zweite Staffel des Podcasts richtet den Blick auf Männer in der heutigen deutschen Gesellschaft. Weber und Damm führten dafür erneut Interviews: In der Kneipe, im Wohnzimmer, in der Entzugsklinik. Schwerpunkte in der daraus entstandenen Staffel sind unter anderem Gewalt, Kommunikation, (Homo-)Sexualität und Körperlichkeit. Auch hier spielt der Bezug zum Geschlechterverhältnis eine zentrale Rolle.
Der Podcast bietet Einblicke in die Ansichten unterschiedlicher Menschen und gleichsam die politische Diskussion und Analyse dieser. Der Umgang mit dem Interviewmaterial ist durchweg wertschätzend und gleichzeitig nicht rein affirmativ. Dabei vertreten Damm und Weber durchaus klare Haltungen, aber schaffen es, dass sich die Hörerin nicht bekehrt fühlt. Sicherlich hängt das auch mit dem offenen Hinterfragen der eigenen Positionen der Moderatorinnen zusammen. Außerdem: Sowohl beim Moderieren als auch beim Zuhören kann gelacht werden – trotz der teils harten Themen. Denn so wichtig die Wut über gesellschaftliche Zustände ist, so wichtig ist es, sich von ihnen den Spaß nicht komplett verderben zu lassen.
Von Marie Melzer
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„ Das Subversivste, was eine Frau tun kann, ist, ihr Leben so zu erzählen, als sei es wirklich wichtig.“ (Mona Eltahawy) – gemäß diesem Motto lassen Lotte und Eva in ihren Folgen Frauen* einer Mutter-Kind-Kur, die Lotte dort während ihrer eigenen Kur kennen lernte, von ihren Ängsten, Sehnsüchten, Wünschen und Schwierigkeiten erzählen.
„ Das Subversivste, was eine Frau tun kann, ist, ihr Leben so zu erzählen, als sei es wirklich wichtig.“ (Mona Eltahawy) – gemäß diesem Motto lassen Lotte und Eva in ihren Folgen Frauen* einer Mutter-Kind-Kur, die Lotte dort während ihrer eigenen Kur kennen lernte, von ihren Ängsten, Sehnsüchten, Wünschen und Schwierigkeiten erzählen. Sie bleiben aber nicht in der Rolle abstinenter Moderatorinnen, sondern bringen sich mit persönlichen Erfahrungen, Meinungen und Diskussionen ein, was den Podcast lebendig und die beiden als greifbar macht. Über das Teilen teils sehr intimer Erfahrungen, was auch ein Sich-Zeigen in der eigenen Verletzlichkeit bzw. Verletztheit bedeutet, wird deutlich, wie viel Politisches im scheinbar privaten Raum als Frauund Mutter auch heutzutage noch zu finden ist. Dabei leiten Lotte und Eva aus den vielfältigen und unterschiedlichen Erzählungen zu Überthemen wie „Arbeit“, „Liebe“, „Partnerschaft“ und „Sexualität“ ganz nebenbei und ohne, dass es dafür ein theoretisches oder akademisches Vorwissen der Hörerinnen braucht, eine gesellschaftskritische und feministisch-emanzipatorische Perspektive in Bezug auf die Herausforderungen des Frau-Seins in der heutigen Gesellschaft ab.
Der_dem Hörerin stellt sich – insbesondere durch den Kontext der Mutter-Kind-Kur die Frage – in wie weit in der Behandlung von Erschöpfungszustände bzw. „burn out“, neben der individuellen Veränderung von Verhalten, auch eine Veränderung von Verhältnissen, Rollenbildern und (An)Forderungen an Mütter und Frauen notwendig, ja unabdingbar, ist. Gleichzeitig regt es an, diese Aspekte auch im eignen Leben zu hinterfragen.
Das klingt nach schwerer Kost, ist aber durchaus kurzweilig – auch und gerade wegen der Unterschiedlichkeit der Interview-Partnerinnen und deren Lebensrealitäten – und mit viel Humor trotz ernster Themen durch die beiden Moderatorinnen aufbereitet.
Von Leon Rosa Reichle
Seit dem Beginn der Pandemie und den dazugehörigen Einschränkungen des sozialen und kulturellen Lebens gewinnt besonders ein mediales Format stark an Aufmerksamkeit. Das Hören wie Machen von Podcasts ist in der Zeit ausfallender Veranstaltungen und dröger Onlinealternativen eine Möglichkeit, sich allein und doch gemeinsam mit gesellschaftlichen Themen zu beschäftigen.
Seit dem Beginn der Pandemie und den dazugehörigen Einschränkungen des sozialen und kulturellen Lebens gewinnt besonders ein mediales Format stark an Aufmerksamkeit. Das Hören wie Machen von Podcasts ist in der Zeit ausfallender Veranstaltungen und dröger Onlinealternativen eine Möglichkeit, sich allein und doch gemeinsam mit gesellschaftlichen Themen zu beschäftigen. Kaum einen der neuen Podcasts höre ich so regelmäßig und begeistert wie ‚Die Revolte beginnt auf Gut Holmecke‘ von Eva Weber und Lotte Damm. Dieser Podcast, der mit kritisch-feministischer Perspektive auf Geschlecht und Gesellschaft blickt, sticht aus dem großen Angebot bestehender und entstehender Audioformate sowohl durch seinen professionellen Aufbau als auch seine vielfältigen und nuancierten Inhalte heraus.
Erst als ich selbst beschloss nun auch auf den Zug des Audiofeature-machens aufzuspringen, wurde mir der überzeugende (ton)technische Aufbau von ‚Gut Holmecke‘ bewusst. Während viele andere Features trotz interessanter Inhalte früher oder später ermüden, durch eintönig werdendes Gerede oder schlicht überzogene Länge, sind die beiden Staffeln von Lotte Damm und Eva Weber durch Aufbau, Spannungsbogen, Abwechslung und gute Qualität immer ein Hörvergnügen. Das macht den Podcast nicht nur zugänglich, sondern auch interessant und schafft damit die oft unbemerkte (sozusagen reproduktive) Basis für die Reichweite seiner Inhalte. Und gerade diese Inhalte, die um Geschlechterverhältnisse kreisen und sie von allen Seiten beleuchten, verdienen eine möglichst breite Rezeption, da sie gleichzeitig alle betreffen und dennoch meistens unverhandelt, tabuisiert und individualisiert bleiben.
In der ersten Staffel „Die Revolte beginnt auf Gut Holmecke“, setzen sich die Podcastmacherinnen in 10 Folgen anhand von Interviews mit Frauen und Mädchen auf einer Mutter-Kind-Kur auf Gut Holmecke mit Weiblichkeit in der heutigen Gesellschaft auseinander. Die einzelnen Folgen setzen vielfältige alltägliche Themen in den Mittelpunkt, von Religion über Beziehungen und Körper bis hin zu ‚Angst und Gesellschaft‘. Durch gut gewählte Sequenzen aus narrativen Interviews mit verschiedensten Frauen, sowie eine gekonnte Einordnung durch die beiden Podcastmacherinnen wird deutlich, wie sehr all diese Bereiche durch Geschlechterverhältnisse geformt sind; mit welchen Ambiguitäten, Freuden und Leid sie dadurch verknüpft sind; wie politisch sie deshalb sein sollten und letztlich, wie selten sie dennoch offen besprochen werden. Genau dieser Stille um zwar unangenehme, aber gerade deswegen so wichtige Themen kommen Lotte Damm und Eva Weber entgegen und ermöglichen damit nicht nur die Reflexion, sondern auch die kritische Verhandlung und den Streit über die Rolle von gesellschaftlicher Weiblichkeit. Bemerkenswert ist in der Staffel das passende und atmosphärische Setting der Mutter-Kind-Kur, was exemplarisch für die zentrale und zugleich versteckte gesellschaftliche Rolle weiblicher Reproduktion steht. Zudem überzeugt die breite Spanne an Perspektiven, und ihre politische Einordnung und Interpretation. Anhand der zwar kritischen, aber stets respektvollen Auseinandersetzung mit dem Interviewmaterial schaffen die Podcastmacherinnen einen selten gelingenden Schritt heraus aus homogenen, linksintellektuellen Szenedebatten, der für nachhaltige feministische Kämpfe unbedingt notwendig ist.
Die zweite Staffel „die Revolte geht weiter“, blickt auf gesellschaftliche Männlichkeit. Hierfür sprechen die Podcastmacherinnen mit einer transmännlichen und vielen cismännlichen Personen aus verschiedenen Generationen, mit diversen Sozialisationserfahrungen. Die Folgen zu Themen wie Kommunikation, Alkohol, Gewalt und Homosexualität komplementieren oftmals die Reflexionen aus der ersten Staffel und beleuchten dennoch völlig andere Blickwinkel und Schwerpunkte. Hervor sticht die Folge zu Transmännlichkeit, in welcher sich die Komplexität von Geschlecht verdeutlicht, die bereits in den anderen Folgen immer wieder durchschimmert. Sie bringt auf den Punkt, was die Perspektiven der Cismännern und -frauen zwar erahnen lassen, jedoch kaum so unvermeidlich selbst reflektieren: die soziale Konstruktion von Geschlecht, ihre absurden und unterdrückenden Züge und ihre gleichzeitige Notwendigkeit zur Aufrechterhaltung bestehender Verhältnisse. Während manche der cismännlichen Interviewpartner sich in ihrer gesellschaftlichen Männlichkeit ganz wohlzufühlen scheinen, deckt die Staffel zugleich auf, wie viele verschiedene Männer und Männlichkeiten an ihrer als dominant vorgesehenen gesellschaftlichen Position leiden. Das kann nur als Apell aufgefasst werden, hegemoniale Geschlechterverhältnisse aus allen Perspektiven zu thematisieren, anzugreifen und solidarische Kämpfe zu führen. Der Podcast von Eva Weber und Lotte Damm trägt dazu einen wichtigen Teil bei, indem er allen Hörer:innen die Tragweite patriarchaler Beziehungsweisen, sowie unser aller verschiedene und doch geteilte Betroffenheit aufzeigt.
Meine Hörempfehlung geht daher einschränkungslos an alle erwachsenen Menschen, unabhängig ihrer geschlechtlichen Sozialisation und Selbstverortung. Ich selbst erwarte vorfreudig die angekündigte Staffel zu Beziehungen.